Die Tage werden kürzer, die Nächte länger und kälter. Der Herbst stimmt uns langsam auf die dunkle Jahreszeit ein. Viele Menschen freuen sich dann auf heißen Tee, Glühwein, Kerzen und Kaminfeuer. Doch nicht für alle beginnt im Oktober eine romantische Jahreszeit. Etwa drei Prozent der Bevölkerung leiden in Deutschland an einer Winterdepression oder ihrem kleinen Bruder, dem Winterblues.
Was ist eine Herbst- oder Winterdepression?
Wenn es im Herbst und im Winter kalt und dunkel wird, kommen auch schnell traurige und negative Gedanken auf. Die Trostlosigkeit der Umwelt spiegelt sich emotional in den Menschen wieder. Mediziner sprechen von einer sogenannten Seasonal Affective Disorder, kurz SAS. Die meisten Menschen kennen diese Störung des Gefühlslebens jedoch unter dem Namen Herbst- oder Winterdepression. Bedingt durch die längere Dunkelheit und Kälte tritt diese Erkrankung häufiger auf, je weiter nördlich die betroffenen Personen leben. Während südeuropäische Länder kaum betroffen sind, betreffen saisonale Depressionen in Mitteleuropa bis zu drei Prozent der Bevölkerung. In Skandinavien sind diese Depressionen sogar mit für die hohen Alkoholsteuern verantwortlich, auf dieser Weise soll stimmungsbedingtem Alkoholmissbrauch vorgebeugt werden.
Üblicherweise sind Frauen empfänglicher für saisonale Depressionen, aber auch Männer, Jugendliche und Kinder können betroffen sein.
Doch nicht jede Depression, die erstmals in der kalten Jahreszeit auftritt, ist zwangsläufig eine Herbstdepression oder Winterdepression. In vielen Fällen handelt es sich um den „kleinen Bruder“: den Winterblues. Dies ist eine saisonal bedingte Stimmungsschwankung, die aber weniger extrem ausfallen, als das bei einer ausgewachsenen Depression der Fall ist. Ein besonderer Fall ist zudem die Winter-Manie. Die Betroffenen regieren dann auf die saisonal bedingte Störung der Gefühlslage nicht mit Verstimmungen, sondern übertrieben euphorisch, oft geht auch das Gefühl für soziale Distanz verloren.
Die typischen Symptome einer Winterdepression
Kaum ist es draußen dunkel, kommen Sie morgens einfach nicht mehr aus dem Bett. Und wenn Sie sich doch aufraffen, könnten Sie sich zwei Stunden später schon wieder hinlegen und Nickerchen machen. Wem das bekannt vorkommt, sollte vorsichtig sein. Denn diese Schwerfälligkeit und Müdigkeit sind erste Anzeichen dafür, dass die kalte und dunkle Jahreszeit bereits Einfluss auf Psyche und Gefühle nehmen. Dann sind Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit anfällig für die Winter- und Herbstdepressionen.
Starke Müdigkeit, die trotz ausreichender Nachtruhe den ganzen Tag über anhält, ist eines der klassischen Symptome dieser Störung. Unbehandelt stellt sich nicht selten sogar eine Hypersomnie, also eine Schlafsucht, ein. Typisch für eine Herbstdepression sind außerdem eine starke Antriebslosigkeit, gedrückte Stimmung bis hin zu starker Traurigkeit und eine allgemeine Lustlosigkeit, die sogar zur Vernachlässigung geliebter Hobbys oder sozialer Kontakte führen kann. Auch plötzliche, starke Stimmungsschwankungen, wie z.B. ungewöhnlich hohe Reizbarkeit und das Gefühl, bereits wegen Kleinigkeiten aus der Haut fahren zu müssen, können ein Hinweis auf eine bestehende depressive Erkrankung sein. Wenn Sie dagegen nur ständig antriebslos und missgelaunt sind und außerdem noch regelmäßig von Heißhungerattacken auf Süßes geplagt werden, sind das Indizien für einen Winterblues, also die stark abgeschwächte Variante der Winterdepression.
In seltenen Fällen kann sich die Winterdepression auch durch manische Symptome äußern. Grundlose, übertriebene Euphorie, die schnell aufgesetzt wirkt und Selbstüberschätzung treten scheinbar willkürlich auf. Betroffene können häufig soziale und sprachliche Distanzen nicht mehr wahren und werden als aufdringlich wahrgenommen.
Ursachen und Diagnose
Dass die dunkle Jahreszeit ein trauriges und trostloses Bild von unserer Umwelt zeichnet, ist für jeden deutlich. Doch wie wirken sich Dunkelheit und Kälte auf Menschen aus? Wieso entstehen diese depressiven Episoden in den Herbst- und Wintermonaten? Die Lösung steckt in den Hormonen. Nehmen die Augen weniger Licht wahr, wie es im Winter, aber auch in den Abendstunden der Fall ist, so setzt der Körper Melatonin frei. Dieses Hormon ist ein „Schlafhormon“ und führt zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit und reduzierter Belastbarkeit.
In der Vergangenheit hat sich dieses System durch den Mangel an künstlichen Lichtquellen bewährt. Die Menschen waren an das Tageslicht gebunden und wenn es dunkel wurde und nicht mehr gearbeitet werden konnte, entspannte sich der Körper und eine Ruhephase war möglich. Mit der Einführung von elektrischem Strom und Licht veränderte sich dieser Rhythmus zunehmend zu einer Belastung. Dass ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung davon stärker betroffen ist, als der Rest, liegt nach dem jetzigen Stand der Forschung an unterschiedlich sensiblen Sehzellen. Menschen, die anfällig für Winterdepressionen sind, haben, so wird zumindest vermutet, weniger empfindliche Sehzellen. Die geringere Lichtempfindlichkeit führt dazu, dass für die Zwirbeldrüse dieser Menschen im Herbst und im Winter immer Nacht ist und deshalb ständig sehr viel Melatonin ausgeschüttet wird. Daher rührt die ständige Müdigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass der Körper für die Produktion von Melatonin den Neurotransmitter Serotonin benötigt. Auch dieser Botenstoff hat Einfluss auf unser Gefühlsleben, er gilt als Glückshormon. Durch die übermäßige Melatonin-Produktion sinkt der Serotoninspiegel. Dieser Effekt wird für die gedrückte Stimmung und die Lustlosigkeit der Patienten verantwortlich gemacht.
Die zweifelsfreie Diagnose einer Winterdepression ist nicht einfach und erfolgt nach dem Ausschlussprinzip, da viele der Symptome auch für andere Störungen typisch sind. Wenn sich die Krankheit das erste Mal zeigt, führt der Arzt deshalb in der Regel eine Blutuntersuchung durch, um andere Ursachen, insbesondere Mangelerscheinungen, ausschließen zu können. Starke Müdigkeit und Antriebslosigkeit werden gerade bei Frauen auch oft durch einen zu niedrigen Eisenspiegel ausgelöst. Bei älteren Menschen kann sich hinter der scheinbaren Winterdepression auch eine beginnende Demenz verbergen. Wer unter länger andauernden oder erheblichen Beschwerden leidet sollte deshalb unbedingt einen Arzt konsultieren.
Wie werden Winterdepressionen behandelt?
Bei schweren Depressionen führt an einer medikamentösen Behandlung oft kein Weg vorbei. Leichte und mittelschwere Formen einer Winterdepression können auch mit milderen Mitteln bekämpft werden. Sehr erfolgversprechend ist eine Lichttherapie. Die Betroffenen werden dabei einer Lichtquelle ausgesetzt, die wenigsten 10.000 Lux erreicht. In Lux wird die Beleuchtungsstärke von Lichtquellen gemessen. Die typische Bürobeleuchtung bringt es im Durchschnitt nur auf 500 Lux, die Sommersonne kommt auf das Zweihundertfache dieses Werts. Wer an einer Winterdepression leidet sollte deshalb auch in der dunklen Jahreszeit versuchen, so viel Sonnenlicht wie möglich zu tanken. Es ist deshalb eine gute Idee, den Winterurlaub in südlichen Breiten oder, für Wintersportler, auf einem Gletscher zu verbringen. Darüber hinaus gibt es auch noch einige alltägliche Maßnahmen, die sich günstig auswirken. Auch wer seinen Kreislauf frühmorgens richtig in Schwung bringt, kann die ständige Müdigkeit besiegen. Besonders gut eignen sich dafür Ausdauersportarten wie Schwimmen oder Radfahren. Wenn das nicht in Frage kommt, dann sollten Sie wenigstens einen morgendlichen Spaziergang einplanen. Wer die öffentlichen Verkehrsmittel nutzt, der kann auf dem Weg zur Arbeit einfach zwei oder drei Stationen früher aussteigen und den Rest der Strecke zu Fuß gehen.